Lavergonha (okzitanische Aussprache: [berɣuɲɔ, veʀɡuɲɔ], deutsch: „Schande“) nennen die Okzitanier die Auswirkungen verschiedener Maßnahmen der französischen Politik auf Bürger, deren Muttersprache eine andere Sprache als Französisch ist.[1] Vor allem ab dem 16. Jahrhundert wurden okzitanische Muttersprachler in Verbindung mit Art. 111 des Edikts von Villers-Cotterêts dazu gebracht, durch offizielle Ausgrenzung, Erniedrigung in der Schule und Ablehnung durch die Medien, die eigene Muttersprache (oder die der Eltern) abzulehnen und sich ihrer zu schämen. Vergonha, das immer noch ein Tabuthema in Frankreich ist[2], wird von einigen Wissenschaftlern als Ergebnis eines versuchten Linguizids angesehen.[2] Im Jahr 1860, vor Einführung der allgemeinen Schulpflicht, repräsentierten okzitanische Muttersprachler mehr als 39 %[3], der französischsprachige Bevölkerungsanteil betrug 52 %. Ihr Anteil sank in den 1920er Jahren auf 26–36 %[4] und fiel dann 1993 auf weniger als 7 %.[5]
↑Louis de Baecker, Grammaire comparée des langues de la France, 1860, p. 52: parlée dans le Midi de la France par quatorze millions d'habitants ("gesprochen in Südfrankreich von vierzehn Millionen Einwohnern"). [1] + [2]
↑Yann Gaussen, Du fédéralisme de Proudhon au Félibrige de Mistral, 1927, p. 4: [...] défendre une langue, qui est aujourd'hui la mère de la nôtre, parlée encore par plus de dix millions d'individus [...] ("schützt eine Sprache, die immer noch von mehr als zehn Millionen Menschen gesprochen wird"). [3]
↑Stephen Barbour & Cathie Carmichael, Language and nationalism in Europe, 2000, p. 62